Für uns Musiker ist das Üben essentiell. Bei dem Einen genussvoll, bei dem Anderen nur durch Disziplin. Es werden Tonleitern und Arpeggien geübt, ganze Stücke, Technik-Übungen, Rhythmus-Übungen … es gibt viel zu üben. Und quasi als Kehrseite dieser Medallie ist es stigmatisiert, nicht zu üben.
Ein ambitionierter Musiker mit eigentlich guter Übungsmoral, der eine Zeitlang nicht geübt hat, kann Probleme haben, wieder anzufangen. Aus der Pause, wodurch auch immer verursacht, kann ein Widerstand erwachsen, der den Neueinstieg behindert. Das gibt es im Sport ganz ähnlich: Wer aus seiner Gym-Routine rauskommt, der kann Schwierigkeiten haben, wieder reinzukommen. Obwohl die Ursache der Pause längst nicht mehr besteht. Da ist manchmal das schwerste Gewicht im ganzen Gym die Eingangstür.
Maria Busqué schreibt in ihrem Buch „Alles im Flow? Über die Kunst, ein musikalisches Leben zu führen“ in diesem Zusammenhang von Scham. Maria ist eine sehr ungewöhnliche Musiklehrerin, ursprünglich aus Barcelona, nun in Berlin, mit einem sehr positivem und inspirierendem Ansatz. Diese Scham brächte viele Musiker:innen dazu, sich durch die Pause lähmen zu lassen und harsch mit sich selbst umzugehen, wenn sie nach der Pause durch harten Drill die Zeit und das (tatsächlich oder vermeintlich) verlorene Niveau wieder aufholen glauben zu müssen. Maria schreibt, sie praktiziere da eine andere Perspektive:
Mein eigener Ansatz dazu ist, den Neubeginn am Instrument zu zelebrieren, so, als würden wir eine liebe Freundin zu Besuch empfangen, die wir lange nicht gesehen haben: Wir bereiten eine leckere gemeinsame Mahlzeit zu und beziehen das Gästebett mit der angenehmsten Garnitur, die wir haben, legen vielleicht noch eine kleine Schokolade auf das Kopfkissen und stellen uns darauf ein, ein paar wunderbare Tage in Freude und Verbundenheit zu verbringen. So etwas ist das Zurückkommen zum Instrument für mich.
Maria Busqué
Diese superpositive Haltung mit diesen besonderen bildlichen Vergleichen haben mich direkt bei der ersten Lektüre des Buches tief beeindruckt. Diese Denkweise habe ich nie wieder vergessen. Lässt sich auch gut auf Sport übertragen. Und seitdem habe ich nicht mehr mit dem wieder-reinkommen nach einer Pause gehadert. Die Pause hatte irgendeinen Grund oder Anlass, okay. Ich habe Zeit verstreichen lassen, okay. Ich habe vielleicht sogar Fähigkeiten verloren, okay. Aber nun fange ich lustvoll wieder an und genieße dabei den Prozess, total okay und sogar auf seine Weise schön.
Übertragen auf das Üben selbst bedeutet es, dass ich mir ein paar Stücke heraussuche, die mir sehr am Herzen liegen und die ich gerne spiele. Zunächst erlaube ich mir, in den ersten Tagen des Wieder-Übens einfach nur die Seele baumeln zu lassen und den inneren Impulsen zu folgen. Das ist die erste Phase. Musik auszudrücken kommt von innen, und am leichtsten drücken wir die Musik aus, mit der wir auch etwas zu sagen haben, die uns tief berührt. Dieses Wiedertreffen darf riesig Spaß machen, frei nach dem Motto: >> Erst das Vergnügen, dann die Arbeit <<.
Maria Busqué
Ich kannte Maria aus ihrer E-Mail-Kolumne für Musiker:innen, dem „Flowletter“. Als sie Ambitionen entwickelte, daraus ein Buch zu machen, gehörte ich zu ihren Crowdfundern. Das Buch ist längst vollendet und kann überall im Handel bestellt und erworben werden und Maria arbeitet an ihrem zweiten Buch. Wenn du eine positivere Perspektive auf dein Spielen und Üben entdecken willst, dann kann ich dir empfehlen, mal einen Blick auf Maria Busqué zu werfen.
Web: www.mariabusque.net,
Instagram: @mariabusque